23. November 2024

HEALTH News

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Senioren-Rikschas und der Wind im Haar

«Radeln ohne Alter» ist eine Initiative, um älteren Menschen den Genuss des Fahrradfahrens zu ermöglichen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Philipp Schulze/dpa)

«Sicherheitsgurte fest anlegen und Füße auf die Stütze» – Ute Wischmann-Lübbers gibt klare Ansagen. Die ehrenamtliche Pilotin fährt die elektrische Einsteigehilfe hoch, verteilt Wolldecken und setzt sich hinter die beiden Seniorinnen in der Rikscha. Sie tritt fest in die Pedale des elektrisch unterstützten dreirädrigen Gefährts und nimmt die Dorfstraße von Amelinghausen im Landkreis Lüneburg in die Heidelandschaft.

«Der Tacho zeigt zehn bis elf Stundenkilometer, nicht mehr, damit keine Angstgefühle aufkommen», erklärt Wischmann-Lübbers zum Projekt «Radeln ohne Alter». «Man hat eine hohe Verantwortung, die Gäste vertrauen einem und sollen sich auch wohlfühlen.»

«Ich fahre seit 20 Jahren nicht mehr Rad, meine Tochter hat es mir verboten», erzählt Brigitte Görlich nach ihrem ersten Ausflug in dem Doppelsitzer. «Ich habe mich gefühlt wie früher», sagt die 91-Jährige begeistert, sie will auf jeden Fall wiederkommen. Beschwingt marschiert sie mit ihren Walkingstöcken nach Hause.

Überredet zu der Spritztour wurde sie von Elisabeth Lübbers, die schon viele Fahrten im Gefährt ihrer Tochter Ute unternommen hat. «Ich fahre noch Fahrrad und auch Rollator», berichtet die 85-Jährige stolz. Bei etwas weiteren Ausflügen in der Rikscha könnten die Kinder und Enkel sie auf dem Rad in die Heidelandschaft begleiten.

Regelmäßig nimmt Wischmann-Lübbers, die als Betreuerin in einem Altersheim arbeitet, die Älteren auf Ausflüge mit, oft ist ein Picknickkorb dabei. «Man kann sich gut unterhalten und oft kommen bei den Gästen Erinnerungen hoch», erzählt die 56-Jährige. Ihr Mann ist inzwischen ehrenamtlicher Anleiter für die E-Bikes und hat sie für den Zweisitzer geschult. Auf dem Heideblütenfest im Sommer haben sie Werbung für das Projekt gemacht. Das Gute für die Senioren: die Fahrten sind kostenlos. Spenden für Erneuerungen am Gefährt sind willkommen, aber nicht zwingend.

Konzept stammt aus Kopenhagen

«Die alten Menschen sind ganz begeistert», sagt Hans-Joachim Fischer, Geschäftsführer der Ambulanten Hauskrankenpflege. Zum 30-jährigen Jubiläum des Pflegedienstes suchte man eine Aktion um Danke zu sagen und kam auf das Thema «Radeln ohne Alter». Das Konzept stammt aus Kopenhagen, will Senioren aus sozialer Isolation holen und hat das Motto: «Jeder hat ein Recht auf Wind in den Haaren».

Mithilfe einer Crowdfunding-Aktion wurde die erste Rikscha angeschafft. Die Gefährte sind extra für mobilitätseingeschränkte Menschen konzipiert. Sein Sohn Marwin ist einer von zehn ehrenamtlichen Piloten in Amelinghausen, seine Frau Sabine koordiniert die Einsätze, die spätestens im April wieder voll losgehen sollen. Mittlerweile gibt es «Radeln ohne Alter» in vielen Ländern, auch in Deutschland hat die Idee immer mehr Zulauf. In Hannover bieten beispielsweise Die Malteser Rikschaausflüge an.

Der Satz einer glücklichen Seniorin nach einer Ausfahrt blieb Hans-Joachim Fischer besonders im Gedächtnis: «Ich habe gedacht, mein Leben geht ohne schöne Erinnerungen zu Ende.» Er habe heute noch Gänsehaut, wenn er an den Moment denke.

Von Britta Körber und Philipp Schulze, dpa