Sie haben irgendwie Hunger, aber die Mittagspause ist noch lang? Wenn Ihr Arbeitgeber dafür gesorgt hat, dass in der Teamküche eine Schale mit kostenlosem Obst steht, greifen Sie womöglich eher dazu, als sich am Automaten einen Schokoriegel zu holen. Die prominent platzierte Obstschale «stupst» Sie an, sich für das – gesündere – Obst zu entscheiden. Nudging heißt das auf Englisch.
Nudging ist ein Konzept aus der Verhaltensökonomie. Der Begriff wurde von Richard Thaler und Cass Sunstein in ihrem Buch «Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt» aus dem Jahr 2008 populär gemacht.
Wie funktioniert Nudging?
Nudging basiert auf der Idee, dass Menschen oft nicht rein rational handeln, sondern durch ihre Umgebung und die Art und Weise, wie Entscheidungen präsentiert werden, beeinflusst werden. Kleinen Anstöße, sogenannte «Nudges», sollen den Menschen helfen, bestimmte Entscheidungen zu treffen, ohne dass sie gezwungen werden – und zwar eigentlich bessere Entscheidungen.
Beispiele für Nudges in diesem Sinn sind etwa, wenn eine Firma ihren Mitarbeitern in der Teeküche Obst anbietet, damit die sich gesünder ernähren. Oder wenn Behälter für die Mülltrennung aufgestellt werden und kaum Büromaterial verteilt wird, um nachhaltiges Verhalten am Arbeitsplatz zu fördern.
Das ist ja gut und schön, aber kann das nicht auch manipulativ sein?
Während Nudging sanfte Anstöße bezeichnet, die das Verhalten von Menschen auf eine vorhersehbare Weise verändern sollen, ohne dabei ihre Entscheidungsfreiheit einzuschränken, zielen manipulative Taktiken darauf ab, die Entscheidungsfreiheit zu untergraben und den Menschen zu einer Entscheidung zu drängen, die sie sonst nicht getroffen hätten.
Die wahren Absichten hinter manipulativen Techniken sind oft verborgen, und die Manipulierten sind sich der Einflussnahme nicht bewusst. Diese Techniken dienen dazu, Ziele zu erreichen, die nicht unbedingt im besten Interesse der manipulierten Person liegen oder ihr sogar schaden.
Wird man etwa bei der Kartenzahlung schon vom Gerät vor die Option gestellt, 7, 10 oder 20 Prozent Trinkgeld zu geben, wie es jetzt immer häufiger passiert, kann das einerseits im eigenen Interesse sein, weil man welches geben möchte und vielleicht auch gar keine Lust hat, etwas auszurechnen.
Andererseits aber hat man vielleicht gar kein Budget dafür oder war mit dem Service nicht zufrieden – dann ist man in der Entscheidung, ob man Trinkgeld geben möchte, erstmal beschränkt. Und wenn man die Schaltfläche für «kein Trinkgeld» erst suchen muss, weil sie viel kleiner ist als die drei anderen Optionen, kann man das durchaus als Manipulation empfinden.
Wie schütze ich mich vor Manipulation?
Wer sich nicht in eine bestimmte Richtung drängen lassen will, sollte nicht aus dem Bauch heraus handeln, sondern innehalten und sich fragen: Wie valide, also stichhaltig sind die Informationen, die ich in dieser Situation habe, und welche Motive könnten wohl die Leute haben, die mir die Information geben, so der in diesem Jahr verstorbene Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann («Schnelles Denken, langsames Denken»).
Wenn man wie im Beispiel man nur drei Trinkgeld-Optionen sieht, ist man vielleicht verleitet, eine der drei auszuwählen, oder man gibt welches, weil es alle machen und folgt damit unbewusst ganz einfachen Entscheidungsregeln – dabei hat man ja die ganze Zeit die Möglichkeit, kein Trinkgeld zu geben.
Kahnemann und Sunstein beschrieben zusammen (mit Olivier Sibony) im Buch «Noise – Was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können», wie Dinge, die zufällig im Hintergrund ablaufen, unsere Entscheidungen beeinflussen können – das Wetter etwa. Bei einfachen Entscheidungen könne man sich an Regeln halten, «manchmal können die Regeln auch Checklisten sein», so Kahnemann.
Ganz einfaches Beispiel: Wer mit einem Einkaufszettel in den Supermarkt geht, ist weniger anfällig für Impulskäufe – ob wegen des Wetters oder weil die Supermarktbetreiber Sonderangebote oder bestimmte Produkte strategisch platziert haben.
Self-Nudging für mehr Selbstkontrolle?
Übrigens: Nudging kann man auch für sich selbst nutzen. Indem man sich in der eigenen Umgebung etwa Erinnerungen und Hinweise selbst platziert, zum Beispiel das Foto eines Apfels auf der Kühlschranktür oder die Jogging-Schuhe vor dem Bett, erklärt die Max-Planck-Gesellschaft. Und dann «können wir die Entscheidung zwischen Joggen oder Nichtjoggen auch als eine Entscheidung zwischen Gesundheit oder Krankheit im Alter framen oder jede Treppe als eine Gelegenheit willkommen heißen, unsere Lebenserwartung minimal zu erhöhen.»
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