Es ist ein schlichtes Rezept von historischem Gewicht. «So kannst du Salat aus diesem herstellen: Nimm diese Bacaras oder Papas, sauber und weichgekocht, schneide sie in Scheibchen, füge Öl, Essig, Pfeffer, Salz oder Zucker hinzu und genieße.»
Was der Abt Kaspar Plautz aus dem Benediktinerkloster Seitenstetten in Österreich vor 400 Jahren empfahl, gilt als erstes bekanntes Rezept für Kartoffelsalat. Es taucht in einem 104-seitigen Buch über eine fiktive Reise des Abts mit dem Entdecker Christoph Kolumbus auf. «Das Buch dürfte einige Verbreitung erfahren haben», sagt Pater Benedikt Resch.
Der ursprünglich aus den Anden stammenden Kartoffel, mit der Entdeckung der Neuen Welt nach Europa gelangt, verhalf es aber nicht zum sofortigen Durchbruch. Das dauerte noch einige Generationen.
Der Klimawandel bedroht das Grundnahrungsmittel Kartoffel
Heute ist die Kartoffel neben Weizen, Reis und Mais eine der wichtigsten Nutzpflanzen der Menschheit – doch der Klimawandel beeinflusst auch ihre Erträge. «Die Pflanze hat vor allem Probleme mit den hohen Temperaturen während der Nacht», sagt der Pflanzenbiologe Markus Teige von der Universität Wien. Und auch zu viel Wasser auf dem Acker nach Starkregen lässt das Nachtschattengewächs binnen weniger Tage absterben.
Deshalb koordiniert Teige seit einem Jahr ein von der EU mit fünf Millionen Euro gefördertes Projekt, das eine besonders stressresistente Knolle finden soll. Bei der Züchtung von Kartoffelsorten habe in der Vergangenheit eher der Ertrag als die Widerstandskraft gegen Umwelteinflüsse im Mittelpunkt gestanden, sagt Teige.
Forscher suchen Erbgutmerkmale mit maximaler Stressresistenz
Der Ansatz der Forscher: Sie wollen im Detail verstehen, warum manche Sorten besser mit Stress umgehen als andere. Gerade bei der genetisch sehr komplexen Kartoffel gleiche das der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. «Und wir kennen noch nicht einmal die Nadel», sagt Teige.
Die Wissenschaftler schauen sich im Feldversuch wie im Gewächshaus Sorten wie Désirée, Agata, Hansa, Henrietta, Gloria und Erika ganz genau an. «Henrietta und Erika sind erfahrungsgemäß toleranter bei Umweltstress, aber wir wissen noch nicht, warum», so der Pflanzenbiologe.
Dass das Problem drängt, zeige auch eine Umfrage unter Landwirten, von denen eine große Mehrheit über Ernteausfälle wegen Trockenheit klage. «In den letzten Jahren wird es nicht nur in Südeuropa, sondern auch im Norden wie zum Beispiel in Niedersachsen oder Brandenburg ohne Beregnung schon sehr oft kritisch», so der Forscher.
Die Optik wird bei der Züchtung nachrangig sein
Der Detektivarbeit im Labor, wo nach Gen-Abschnitten gesucht wird, die vorteilhafte Pflanzen-Eigenschaften auslösen, wird die klassische Züchtung folgen. «Wir suchen dann in den vorhandenen Gen-Pools nach gleichen Abschnitten und kreuzen die Sorten», sagt Österreichs einzige hauptberufliche Kartoffelzüchterin, Susanne Kirchmaier von der Niederösterreichischen Saatbaugenossenschaft (NÖS).
Wichtig wären Merkmale wie geringe Verdunstung übers Blattwerk oder auch ein größeres Wurzelsystem, das mit langen Dürre-Perioden besser zurechtkäme. Die Auswahl an vorhandenen Sorten ist riesig. Allein in Europa gebe es 1000 davon, von denen es aber nur eine Handvoll auf den Markt geschafft habe, sagt Kirchmaier.
Ohnehin sei die Nachfrage zumindest des Handels immer noch sehr von der Optik geprägt, sagt die Expertin. In Österreich und Bayern müsse die Salatkartoffel schlank, festkochend, mit gelblichem Fleisch sein. In Ungarn und Russland würden rotschalige Kartoffeln bevorzugt.
Die Sorte Valdivia sieht momentan vielversprechend aus
Der eigentliche Feldversuch mit Probe-Züchtungen sei wohl 2023 zu erwarten, so Kirchmaier. Die Favoritin der Fachfrau ist aktuell die Sorte Valdivia, die sehr gut mit Trockenheit zurechtkomme und unter diesen Bedingungen einen überdurchschnittlichen Ertrag habe. «Sie ist in Österreich zuletzt mehrfach als «Goldener Erdapfel» ausgezeichnet worden, spielt aber in Europa kaum eine Rolle», sagt Kirchmaier.
Für den Abt Plautz war der Siegeszug der Kartoffel gerade auch auf deutschen Tellern – jeder Deutsche isst statistisch fast 60 Kilogramm im Jahr – noch schwer vorstellbar. Im 17. Jahrhundert bereicherte die noch exotische Knolle, deren oberirdische Bestandteile so giftig sind, dass sie tödlich wirken können, erst einmal Kloster- und Kräutergärten.
Aber das Potenzial wurde schon erkannt. «Erdäpfel-Salat macht unwahrscheinlich satt», sagt Resch, der zusammen mit 25 anderen Mönchen in Seitenstetten lebt. Plautz schrieb 1621: «Oder wenn du magere Menschen oder Tuberkulose-Schwindsüchtige heilen oder fettmachen willst, koche diese Papas, gesäubert, mit dem Fleisch von Kapaunen, Hühnern oder Hammeln. Trank und Brühe daraus liefern ein sehr bekömmliches und heilsames Nahrungsmittel.»
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