Zurück zur Natur, begraben unter Bäumen: Die Zahl der Bestattungswälder wächst und wächst. Was aber, wenn hier im Klimawandel Bäume über den Toten absterben?
«Wegen Dürre und Stürmen sind auch in Bestattungswäldern schon Bäume umgestürzt», sagt der stellvertretende Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, Gerold Eppler. «Von den Betreibern wird das nicht an die große Glocke gehängt. Sie haben auch anfangs nicht damit gerechnet, dass der Klimawandel so durchschlägt.» Für die Angehörigen von Begrabenen könnten wegen Schäden gefällte oder umgestürzte majestätische Bestattungsbäume ein Schock sein.
Beisetzungen nur noch auf einer Waldlichtung
Die Deutsche Friedhofsgesellschaft, die bei Dachsenhausen im Taunus neben dem bundesweit größten Krematorium auch einen Bestattungswald betreibt, bietet daher seit Anfang 2023 keine Beisetzungen mehr unter Bäumen, sondern nur noch auf einer Waldlichtung an. «Über 70 Prozent der Bäume in Rheinland-Pfalz weisen mittlerweile Schäden auf», erklärt Geschäftsführer Karl-Heinz Könsgen. Ob ein ausgesuchter Bestattungsbaum auch noch in 20 oder 50 Jahren gesund sei, könne sein Unternehmen nicht vorhersagen: «Mit den steigenden Temperaturen, der zunehmenden Trockenheit, verstärkt auftretendem Starkregen und orkanartigen Windgeschwindigkeiten nehmen starke Schäden im Wald zu.»
Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas sagt, 2001 sei im Reinhardswald bei Kassel der bundesweit erste Bestattungswald eröffnet worden. «Ich habe immer schon eine Sättigung erwartet, aber es werden immer mehr Bestattungswälder. Derzeit sind es rund 250 in Deutschland.» In den vergangenen Jahren hat sich Aeternitas laut Helbach zweimal in einer Umfrage unter rund 1000 Bürgern nach Bestattungswünschen erkundigt: «2019 haben 19 Prozent einen Bestattungswald genannt und 2022 schon 25 Prozent.»
Auch schon Eichen und Buchen geschädigt
Laut Eppler gab es Baumschäden infolge des Klimawandels etwa schon in Bestattungswäldern in Gießen und beim niedersächsischen Uetze. Betreiber solcher Areale suchten sich zwar eher robustere Laub- und Mischwälder als flach wurzelnde Fichten-Monokulturen aus. «Aber je nach Standort sind auch schon Eichen und Buchen geschädigt.»
Der Geschäftsführer des Waldbesitzerverbands für Rheinland-Pfalz, Wolfgang Schuh, bestätigt die gewachsenen Gefahren auch für Bestattungswälder. Für diese würden oft ältere Baumbestände gewählt. «Je größer ein Baum aber ist, desto eher ist er den Unbilden der Natur ausgesetzt», erklärt der Experte.
Der Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben («Das geheime Leben der Bäume») hat nach eigenen Worten schon drei Bestattungswälder mit eingerichtet. Er sagt zu Hause in Hümmel in der Eifel, in anderen derartigen Wäldern werde mitunter Totholz mit großen Maschinen ausgeräumt, damit nichts auf Besucher stürzen könne. «Diese Fahrzeuge können den Waldboden sehr verdichten. Dann besteht schon die Gefahr von absterbenden Bäumen», erklärt Wohlleben. Totholz naturnah ohne große Maschinen herauszuziehen sei teurer, das machten nicht alle Betreiber von Bestattungswäldern. Eine einzige geschädigte Baumkrone zum Beispiel naturschonend zu bergen könne «locker 500 Euro kosten».
Toter Baum kann schweren Verlust bedeuten
Dem Museums-Vizechef Eppler zufolge ist ein umgestürzter Bestattungsbaum «nicht das, was sich Angehörige gewünscht haben. Schließlich steht ein Baum für Stärke und Dauerhaftigkeit». Wenn es die Vorstellung gebe, «dass ein Baum die Mineralien des Verstorbenen aufnimmt, dann ist ein toter Baum ein schwerer Verlust».
Die Urne eines Verstorbenen wird oft an einem sogenannten Einzel-, Gemeinschafts-, Familien- oder Partnerbaum beigesetzt, mit einem Nutzungsrecht von häufig 99 Jahren. Träger der als Friedhöfe ausgewiesenen Bestattungswälder sind Kommunen oder etwa Kirchen, Betreiber oft auch private Unternehmen. Grabsteine und meist auch Grabschmuck sind verboten, höchstens Plaketten weisen auf Verstorbene hin. Die Angehörigen zahlen nur anfangs, die Grabpflege entfällt. Der räumlichen Zersplitterung vieler Familien komme das entgegen, sagt Helbach. Laut Eppler haben Betreiber gewöhnlich eine Klausel in ihren Kundenverträgen: «Wenn ein Baum umstürzt, wird ein neuer gepflanzt.»
Franziska Bittel vom bundesweit aktiven Anbieter Friedwald mit Sitz in Griesheim bei Darmstadt verweist auf dessen «stabile Laubmischwälder» mit mehrschichtigen Kronendächern unterschiedlich alter Bäume. Die Bestattungsbäume würden «sorgfältig nach Vitalität und Langlebigkeit ausgesucht». Gleichwohl gebe es auch an Friedwald-Standorten «vereinzelte Baumschäden bis hin zum Ausfall einzelner Baumindividuen». Dann kämen verschiedene Lösungen infrage. «Falls noch nicht beigesetzt wurde, kann ein anderer Baum ausgewählt werden. Falls schon beigesetzt wurde, kann ein Nachbarbaum als Ort des Gedenkens gewidmet werden oder ein neuer Baum gepflanzt werden.» Friedwald kümmere sich darum und trage die zusätzlichen Kosten.
Der Geschäftsführer des ebenfalls bundesweit tätigen Anbieters Ruheforst mit Sitz in Erbach im Odenwald, Jost Arnold, sieht nach eigenen Worten keine Gefährdung durch den Klimawandel wegen seiner stabilen Bestattungswälder mit den «richtigen Baumarten» an den «richtigen Standorten». Er ergänzt: «Meine Mitarbeiter sind fast ausschließlich studierte Forstleute mit entsprechendem forstfachlichen Wissen.» Jedoch arbeiten auch andere Betreiber mit Förstern zusammen. Ruheforst bietet laut Arnold zudem «Ruhebiotope» im Wald für Bestattungen an – etwa auch neben Sträuchern und Felsen.
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