Zwei Musik-Weltstars bäumen sich auf gegen «Lügen» und «unbelegte Verschwörungstheorien»: Nach Neil Young will auch seine Kollegin und Freundin Joni Mitchell in einem Akt der Solidarität ihre Musik vom Streamingdienst Spotify abziehen.
Beide protestieren damit gegen einen von zahlreichen Wissenschaftlern als verharmlosend kritisierten Corona-Podcast. «Ich habe beschlossen, meine gesamte Musik bei Spotify zu entfernen», schrieb Mitchell (78/«Big Yellow Taxi») auf ihrer Website. «Verantwortungslose Menschen verbreiten Lügen, die Menschen das Leben kosten.» Sie sei in dieser Sache solidarisch mit Neil Young und den globalen wissenschaftlichen und medizinischen Gemeinschaften.
Musikstar Young «glücklich und stolz»
Young («Heart of Gold») hatte Spotify vorgeworfen, etwa in Podcasts Falschinformationen über Coronavirus-Impfstoffe zu verbreiten. Auf einer Plattform, die solche Fehlinformationen enthalte und verbreite, wolle er nicht präsent sein – daraufhin hatte der Streamingdienst die Musik des Kanadiers vorerst aus dem Programm genommen.
Er fühle sich nun besser, schrieb der 76-Jährige daraufhin. «Private Unternehmen haben das Recht das zu wählen, wovon sie profitieren – genauso wie ich mich dafür entscheiden kann, mit meiner Musik keine Plattform zu unterstützen, die schädliche Informationen verbreitet», schrieb er. Er sei glücklich und stolz, sich an die Seite der Mitarbeiter des Gesundheitswesens zu stellen, die jeden Tag ihr Leben riskierten, um anderen zu helfen.
Spotify wolle seinen Nutzern alle Musik- und Audioinhalte zugänglich machen, hieß es in einem Statement des schwedischen Streaming-Riesen. «Das bringt eine große Verantwortung mit sich, wenn es darum geht, ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit für die Hörer und der Freiheit für die Urheber zu schaffen.»
Das Unternehmen habe umfassende Inhaltsrichtlinien und seit Beginn der Pandemie mehr als 20.000 Podcast-Episoden mit Bezug auf Corona aus dem Angebot entfernt. «Wir bedauern Neils Entscheidung, seine Musik von Spotify zu entfernen, hoffen aber, ihn bald wieder begrüßen zu können.» Young erklärte, Spotify mache etwa 60 Prozent seiner weltweit gestreamten Musik aus – die Entscheidung bedeute also einen großen Verlust für seine Plattenfirma.
Der Stein des Anstoßes
In einem offenen Brief, der später von der Homepage verschwand, hatte Young seine Kritik gegen den äußerst populären Podcast des US-Moderators Joe Rogan gerichtet: «Sie können Rogan oder Young haben. Nicht beide.» Schon Mitte Januar hatten zahlreiche Mediziner und Wissenschaftler Spotify in einem offenen Brief vorgeworfen, mit Rogans Podcast «unbelegte Verschwörungstheorien» und Falschinformationen zu verbreiten.
Rogan kommentierte das Geschehen bislang nicht. Der 54-Jährige wurde als Schauspieler und Comedian bekannt und moderiert seit 2009 den Podcast «The Joe Rogan Experience». Derzeit ist es der meistgehörte Podcast auf Spotify, bei dem Rogan immer wieder mit kontroversen und umstrittenen Aussagen für Schlagzeilen sorgt. Rogan stand bereits in der Kritik wegen beleidigender Kommentare zu Trans-Menschen und weil er in seiner Sendung auch extreme Vertreter des rechten Rands einlud.
Young und Mitchell erkrankten beide an Polio
Young und Mitchell stammen beide aus Kanada, sind seit Jahrzehnten weltweit erfolgreich und eng befreundet. Und beide verbindet noch etwas: In den 50er Jahren erkrankten sie an Kinderlähmung. So musste Mitchell für ihre Virtuosität an der Gitarre hart trainieren und eine besondere Technik entwickeln, weil sie durch die Erkrankung eine Lähmung der linken Hand erlitten hatte.
Die britische Ärztin und Autorin Rachel Clarke schrieb bei Twitter: «Sowohl Neil Young als auch Joni Mitchell erkrankten als Kinder an Polio. Sie haben schmerzlich erfahren müssen, wie viel Schaden, Leid und vermeidbaren Tod Impfgegner anrichten können.»
Prominente Unterstützung gesucht
Schon vergangenen Woche schrieb Young auf seiner Webseite, er hoffe, dass andere Künstler und Plattenlabel seinem Beispiel folgen, um die Verbreitung «lebensbedrohlicher Fehlinformationen» über das Virus zu stoppen. Mitchell ist nun die erste, die seinem Beispiel folgt – aber auch andere bekundeten ihre Unterstützung. «Das macht mich stolz auf ihn», kommentierte Youngs Kollege David Crosby. Und der Satiriker Jan Böhmermann twitterte: «Neil Young hat recht.»
Schmusesänger James Blunt ist sich offenbar im Klaren darüber, dass seine Musik den ein oder anderen eher nervt als begeistert: Wenn Spotify Joe Rogan nicht sofort entferne, werde er neue Musik auf der Plattform veröffentlichen, drohte Blunt im Spaß.
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