Saft, Likör, Konfitüre – in kaum einem Souvenirshop an der Ostsee fehlen die Produkte aus Sanddorn. Die leuchtenden orangefarbenen Beeren gehören einfach zum Meer im Nordosten.
Dabei kommt das, was in den Flaschen und Gläsern in den Regalen steht, zum überwiegenden Teil gar nicht von der Küste, sondern aus dem ostdeutschen Binnenland.
Im Osten Sachsen-Anhalts, nahe der Landesgrenze zu Brandenburg, leuchten die orangefarbenen Sanddornbeeren. Ralf Donath geht durch die endlosen Reihen mit üppig bewachsenen Sträuchern. Nach jeweils sieben Reihen mit weiblichen Pflanzen und den leuchtenden Beeren wird eine grüne mit männlichen Pflanzen angebaut.
Ralf Donath ist Geschäftsführer der Vereinigten Agrarbetriebe Seydaland, die auf 125 Hektar Fläche Sanddorn anbauen und damit zu den größten Anbauern in Deutschland gehören. «Mindestens 90 Prozent der Öle, Säfte oder Liköre kommen aus Mitteldeutschland», sagt Donath.
Ernte nur alle zwei Jahre
Deutschlandweit weist das Statistische Bundesamt für 2020 insgesamt 19 Sanddornanbauer aus, die auf 247 Hektar Beeren geerntet haben. 22 Betriebe bewirtschafteten insgesamt 476 Hektar, auf denen nicht geerntet wurde, weil das pro Strauch nur alle zwei Jahre passiert. Die größten Anbaugebiete befinden sich in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Größter Betrieb in der Bundesrepublik ist die Storchennest GmbH in Ludwigslust mit 370 Hektar Anbaufläche.
In Sachsen-Anhalt wurde nach Angaben des Landesbauernverbands Sanddorn auf einer Fläche von insgesamt auf 184,5 Hektar registriert. Neben Seydaland gibt es noch eine Handvoll kleinerer Anbauer.
Begonnen hat der Anbau von Sanddorn in den 1960er Jahren in den sandigen Böden rund um Berlin. Die DDR versuchte, den Mangel an Südfrüchten durch den Anbau des vitamin- und mineralreichen Sanddorns zu kompensieren. Die Pflanze kam gut mit den kargen Bedingungen zurecht; die Anbaufläche der Zitrone des Nordens genannten Beeren wuchs.
Sandiger Boden und wenig Niederschlag
Vor zehn Jahren suchten auch die Vereinigten Agrarbetriebe in Seyda, einem Ortsteil von Jessen im Landkreis Wittenberg, nach neuen Kulturen. «Wir sind hier an einem Standort mit sehr sandigen Böden», sagt Donath, «die Jahresniederschlagsmenge liegt bei nur 540 Litern. Das sind schlechte Bedingungen für einen Landwirt, da schlägt das Herz nicht hoch.»
Auf der Suche nach Kulturen, die unter diesen kargen Bedingungen gedeihen, stießen die Seydaer auf den Sanddorn und pflanzten die ersten Büsche. Schnell stand fest: Das funktioniert. Und es wurde nachgepflanzt. Nach zwei Jahren konnten zum ersten Mal Beeren geerntet werden. Eigens für die Sanddornernte hätten Tüftler in den Agrarbetrieben eine Erntemaschine gebaut, die die Sträucher in drei Höhen beschneidet. Geerntet werden die Beeren mitsamt Zweigen. Im Betrieb werden sie schockgefroren. Dadurch lassen sich die Beeren besser von den stachligen Sträuchern trennen.
Tiefgefroren werden die Beeren ins 30 Kilometer entfernte brandenburgische Herzberg geliefert. Dort hat Andreas Brylka mit einem Partner vor 20 Jahren eine Fabrik aufgebaut, die den Sanddorn komplett verarbeiten kann. «Wir stellen nicht nur Saft und Öl her, sondern machen aus den Schalen auch Tee, aus den Kernen Öl und aus dem Fruchtfleisch ebenfalls Öl. Selbst das Wasser wird an die Kosmetikindustrie geliefert, weil der Sanddorn aus Seyda biologisch angebaut ist», sagt Andreas Brylka.
Rätselhafte Sanddornsterben im Norden
Knapp 300 Tonnen Beeren haben die Seydaer im vergangenen Jahr nach Herzberg geliefert und sind damit der größte Lieferant des Verarbeiters. Auch für dieses Jahr werden gute Erträge erwartet, weil es ausreichend geregnet hat. Insgesamt wurden in Herzberg im vergangenen Jahr 1000 Tonnen Beeren verarbeitet. Dieser Prozess läuft das ganze Jahr über. Verkauft werden vor allem Säfte an 560 Kunden im In- und Ausland. Hauptabnehmer sind Keltereien und die Kosmetikindustrie.
Für die Seydaer war der Anbau einer Dauerkultur ein großes Abenteuer. «Wir haben es nicht bereut», sagt Donath. «Mit Sanddorn kann man Geld verdienen. Inwieweit das auch in der Zukunft lohnt, werden wir sehen.» Wie lange die Büsche Früchte tragen, müsse man abwarten. Das rätselhafte Sanddornsterben, das seit Jahren im Norden grassiert, hat den Betrieb am Mittellauf der Elbe noch nicht erreicht. Es wird derzeit erforscht. An der Studie beteiligen sich auch die Vereinigten Agrarbetriebe Seydaland.
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