29. November 2024

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Was man über Olivenöl wissen sollte

Beim Kauf von Olivenöl fühlen sich viele Menschen oft überfordert. Eine Top-Qualität lässt sich aber an Geruch und Geschmack erkennen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christin Klose/dpa-tmn)

Conrad Bölicke will Olivenöl aus der «Fettecke» holen. «Wir vergleichen die Gewinnung des Öls eher mit der Kunst des Winzers», sagt der Gründer der Olivenölkampagne arteFakt aus dem niedersächsischen Wilstedt. Für die Olivenölverkosterin und Buchautorin Michaela Bogner aus München war das Öl noch nie so gut wie heute. Beim Kauf fühlen sich viele jedoch überfordert.

Die Auswahl ist riesig und der Begriff «nativ extra» steht inflationär auf fast allen Flaschen. Woran soll man sich beim Einkauf also orientieren?

Leider sei die Qualität weder am Etikett noch am Preis zu erkennen, sagen die Expertin und der Experte gleichermaßen. Top-Qualität lasse sich nur an Geruch und Geschmack erkennen.

Reines Naturprodukt oder industrielle Massenware?

Olivenöl wird einer EU-Verordnung zufolge in verschiedene Güteklassen eingeteilt. Die höchste Stufe «nativ extra» sollte Ölen vorbehalten sein, die einwandfrei riechen, schmecken und ein Mindestmaß an Fruchtigkeit haben. Darüber hinaus gibt es «natives Olivenöl» mit leichten Fehlnoten und «Olivenöl».

Letzteres ist ein Verschnitt aus sensorisch stark fehlerhaftem Öl, das raffiniert werden muss, mit einem kleinen Anteil an nativem Öl. Durch das Raffinieren wird das Öl zwar geschmacksneutral, verliert aber seine ernährungsphysiologisch wertvollen bioaktiven Substanzen. «Nativ» steht für die Gewinnung mit ausschließlich mechanischen Verfahren und ohne Wärmebehandlung.

Der größte Bereich bei nativem Olivenöl extra sei heutzutage Etikettenschwindel, kritisieren Fachleute. «Die EU-Olivenverordnung ist aus den 90er-Jahren und hat sehr industriefreundliche chemisch-analytische Werte», sagt Bogner, Autorin des Buches «SuperOlio». Viele der Grenzwerte seien zu lasch, moniert auch Conrad Bölicke. Ein Olivenöl, das mehr als 0,4 Prozent freie Fettsäuren aufweist, sei nie frei von Fehlaromen. Das Gesetz erlaubt aber bei der Spitzenklasse bis zu 0,8 Prozent.

Eine neue Generation von Produzenten verarbeite regionaltypische Oliven mit innovativer Ölmühlentechnologie zu hocharomatischen Ölen, erzählt Michaela Bogner. Allein in Italien gebe es 540 alteingesessene Olivensorten, aber erst aus 100 werde Öl gewonnen.

Die Fachfrau ist Fürsprecherin einer neuen Olivenöl-Kategorie, die sie – wie ihr Buch – «SuperOlio» nennt: «Heute stecken Öle von Spitzenproduzenten in der gleichen Warenkategorie wie die industrieller Abfüller. Aber zwischen diesen Ölen liegen Welten, was der Verbraucher am Etikett nicht erkennen kann. Das ist ein großes Problem.»

Qualität zu erkennen, bedarf Wissen und Übung

Dafür benötige man wie beim Wein eine ganze Reihe verlässlicher Informationen, bis hin zum einzelnen Erzeuger, den Lagen und Olivensorten, sagt Conrad Bölicke. Und man sollte Wichtiges über das Öl wissen. Es handelt sich überwiegend um ein Frucht- und nicht um ein Kern- oder Samenöl, erklärt er.

Neben mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Olivenkern wandeln Oliven während des Reifungsprozesses Fruchtzucker in einfach ungesättigte Fettsäuren um. Vor allem Letztere mit etwa Polyphenolen und Vitamin E sind der Grund, warum Olivenöl als gesund gilt.

Um Qualität erkennen zu können, empfiehlt sich für Einsteiger eine begleitete Verkostung. Man schärft Geruchs- und Geschmackssinn und lernt, wie fehlerfreies, reintöniges Olivenöl tatsächlich riecht und schmeckt.

Bei ihren Online-Tastings weisen Jörn Gutowski von Try Foods aus Berlin oder Michaela Bogner zu Beginn darauf hin: Schlürfen ist erwünscht! Nach dem Riechen zieht man einen kleinen Schluck mit viel Sauerstoff in den Mund. Dabei entsteht ein schlürfendes, schmatzendes Geräusch. Beim Schlucken nicht erschrecken, wenn sich in Mund und Rachen Bitternoten und pfeffrige Schärfe ausbreiten.

Fruchtig, bitter und scharf

Bei dem Fruchtöl geht es wie bei Wein um Aromatik. Gutes Olivenöl sollte pflanzliche grüne Noten von Gras über Wildkräuter bis Tomate haben und frisch schmecken. Alles, was nicht frisch und pflanzlich riecht, sind Fehlaromen. Bei extra nativen Ölen sind sie verboten.

Beim Verkosten entwickeln sich in Mundhöhle, Rachen und Hals Schärfe und Bitternoten von dezent und flüchtig bis kräftig und lang anhaltend. Abhängig ist dies von der Olivensorte, dem Anbaugebiet, dem Erntezeitpunkt und der Verarbeitungstechnik in den hochmodernen Mühlen. Mahlsteine gehören der Vergangenheit an.

Profis bewerten die Intensität des Öls in den Kategorien Frucht, Bitterkeit und Schärfe. «Die Faustregel ist: Je höher der Gehalt an antioxidativ und entzündungshemmend wirkenden Polyphenolen im Olivenöl, desto schärfer und bitterer ist der Geschmack», sagt Bogner. Besonders für Einsteiger sind solch intensiv-fruchtige Olivenöle meist gewöhnungsbedürftig.

Sortenreine Olivenöle drücken am besten die Eigenschaften einer Olivensorte und ihres Terroirs, also der gesamten natürlichen Umgebung aus. Manche Öle kommen auch als Blends auf dem Markt. Dafür werden meist Oliven verschiedener Sorten gleichzeitig geerntet und in der Ölmühle verarbeitet. Bogner: «Idealer ist es, erst sortenreine Öle zu produzieren, also den optimalen Erntezeitpunkt jeder einzelnen Olivensorte zu beachten, und dann einen Blend zu kreieren.»

Spitzenqualität kann erhitzt werden

Hartnäckig hält sich die Mär, dass nur raffiniertes Olivenöl erhitzt werden darf. Das sei schlichtweg falsch, betonen die Fachleute unisono. Conrad Bölicke erklärt: Durch die hohe Hitzestabilität seiner einfach ungesättigten Fettsäuren kann man mit Olivenöl bedenkenlos kochen, braten, frittieren oder backen. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein raffiniertes, natives oder extra natives Öl handelt. Der Rauchpunkt von Olivenöl liegt bei rund 210 Grad Celsius.

Dagegen sprechen jedoch der hohe Preis hochwertiger Olivenöle und der Verlust der feinen Aromen. Geschmack und Aroma dieser Tropfen kommen am besten zur Geltung, wenn sie erst kurz vor dem Anrichten einer Speise untergemischt oder darüber geträufelt werden. «Beim Erhitzen des Öls verflüchtigen sich die Aromen. Auch die Geschmackskomponenten scharf und bitter lassen nach», sagt Michaela Bogner.

Alleskönner in der Küche

Beim Kochen wählen Profis ihr Olivenöl passend zur Intensität des Gerichts. Ein intensiv fruchtiges Öl passt zum Beispiel zu einem Linsen- oder Bohneneintopf, gegrilltem Steak oder deftigen Schmorgerichten wie Soße Bolognese. Conrad Bölicke macht damit seinen griechischen Salat aus Feta, Tomaten, Paprika und Gurken an. Oder er mariniert mit dem herzhaft-würzigen Öl ein Fenchel-Carpaccio.

Mittelfruchtige Öle sind ein Muss bei Gegrilltem, sei es Fisch, Meeresfrüchte oder Gemüse. Mildfruchtige Tropfen dagegen erhöhen die Aromen und Geschmacksnoten von sanft gegartem Fisch oder Huhn und veredeln das Dressing für zarte Blattsalate.

Michaela Bogner nimmt die kräftigen Bitternoten intensiv-fruchtiger Olivenöle, um Süße oder Üppigkeit eines Gerichts auszubalancieren. «Toll funktionieren solche Öle zum Beispiel über sahniger Burrata mit frischen Feigen, über Vanilleeis, Basilikumsorbet oder über sehr stärkehaltigen Gerichten wie Favebohnen-Kartoffelpüree», sagt sie.

Die Berliner Kochbuchautorin Rose Marie Donhauser liebt «total simple Genüsse, die in ihrer Einfachheit bestechen». Sie tunkt Weiß- oder Fladenbrot in Olivenöl und taucht es anschließend üppig in eines ihrer Lieblingsgewürze: Zatar. «Diese Gewürzmischung besteht aus wildem Thymian, Sumach, gerösteten Sesamsamen und Salz».

Da sie gern Salat und Gemüse isst, aromatisiert sie Olivenöl mit Orangen- oder Zitronenzesten, Knoblauch und Rosmarin, um je nach Gusto eine Auswahl zu haben. Ein weiterer Tipp: Apfel oder Birne in hauchdünne Scheiben hobeln, mit Olivenöl beträufeln, Parmesanflocken darüber streuen, mit Meersalz und Pfeffer würzen. Dazu schmecken Ciabatta und ein Glas Wein.

Literatur:

Bogner, Michaela: «SuperOlio», Verlag Delius Klasing, Bielefeld 2019, 320 Seiten, 39,90 Euro, ISBN: 978-3-667-11454-9.

Donhauser, Rose Marie: «Koch mit – Olivenöl», Edition Michael Fischer, München 2017, 64 Seiten, 9,99 Euro, ISBN: 978-3-86355-791-1.

Von Heidemarie Pütz, dpa